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Glossar für die Textanalyse

Dieses Glossar stellt einen Minimalbestand dar. Die Erklärungen sind so knapp wie möglich gehalten, da eine genauere Erläuterung immer im jeweiligen Zusammenhang erfolgen muß. Es sind die Begriffe aufgenommen, die im Zusammenhang der bisherigen Textinterpretationen notwendig sind. Das Glossar wird im Verlaufe der Interpretationen angepaßt. (Vgl. zu den hier angegebenen Begriffen z. B.: Kayser, Wolfgang: Das sprachliche Kunstwerk, Bern 161973).

Ein sehr gutes Lexikon ist: Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1969 (Kröner).


Bild: Zusammenfassende Bezeichnung für alle im folgenden aufgeführten bildlichen Ausdrucksweisen. (Häufig wird auch schon Metapher verwendet)
Chiffre: Begriff, der immer wieder innerhalb eines bestimmten Bedeutungszusammenhangs auftaucht (z. B. bei Trakl: "blau" zusammen mit "Wild", "Steppe") und nur von einem Dichter so verwendet wird. Für G. Benn dagegen ist blau "das Südwort schlechthin". Die Chiffre muß deshalb immer zuerst "entziffert" werden.
Emblem: Zeichen, dem ein bestimmter Sinn zugeordnet ist. (Beispiel: Palme als Sinnbild der Treue.)
Leitmotiv: Wiederholtes Auftauchen eines Gegenstandes an bedeutsamer Stelle.
Metapher: Wichtigste uneigentliche Sprachform. In der Metapher ist ein bestimmter Begriff in einen ursprünglich fremden Bedeutungsbereich übertragen worden. (Beispiele: "Das Meer des Lebens. Der Strom des Lichts".)
Personifikation (von Dingen oder Abstrakta): (Beispiele: "Der Winter ist ein rechter Mann.")
Symbol: In einem konkreten Gegenstand ("Kreuz, Ring") wird ein allgemeiner Sinnzusammenhang sichtbar.
Topos: Topoi sind "feste Cliche's oder Denk- und Ausdrucksschemata" (R. Curtius), aus der antiken Literatur übernommen. (Beispiel: Der "locus amoenus" = fertige Landschaftsszenerie, eine Idylle mit Wiesen, Wald, Quellen und Vogelsang.)
Umschreibung: Der eigentliche Gegenstand oder Sachverhalt muß über einen Umweg erschlossen werden. (Beispiel: "Als sie ihn sah, fühlte sie die Hand Amors ...")
Verdinglichung (von Abstrakta): (Beispiele: "Die Schale des Schreckens; wachsende Angst; befleckte Ehre.")
Vergleich: Eine Sache wird mit einer anderen verglichen: "Fest wie ein Baum stand er."
Euphemismus: Etwas Schreckliches oder Feindliches wird gegenteilig bezeichnet. (Beispiel: "Kap der guten Hoffnung.")
Katachrese (Bildbruch): Verwendung eines nicht passenden Ausdrucks, fehlerhaft oder absichtlich. (Beispiele: "Er pflückte Kartoffeln"; "Laute Tränen; welkes Licht".
Litotes: Etwas Positives wird durch die Verneinung des Gegenteils ausgedrückt. (Beispiel: "Wir haben nicht wenig gelacht!")
Oxymoron: Verbindung zweier Vorstellungen, die sich eigentlich ausschließen. (Beispiele: "bittere Süße", "schwarze Milch der Frühe".)
Synästhesie: Die im sprachlichen Ausdruck vollzogene Verschmelzung mehrerer Sinneseindrücke. (Beispiel: "Durch die Nacht, die mich umfangen / blickt zu mir der Töne Licht ...")
Synekdoche und Metonymie (pars pro toto). Das Besondere steht für das Allgemeine und umgekehrt. (Beispiel: "Herd" für Haus und Familie, "weißes Haar" für Alter; umgekehrt "Sterbliche" für Menschen.)
Anakoluth: Eine begonnene Satzkonstruktion wird nicht richtig fortgesetzt, weil die Gedanken mitten im Satz eine andere Richtung nehmen. (Beispiel: Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reißend, / Den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust ...)
Anapher: Wiederholung syntaktisch beherrschender Wörter. (Beispiel: "Wie flog, was rund der Mond beschien / wie flog es in die Ferne ...")
Ellipse: Verkürzte Rede: Die Satzaussage wird auf die wichtigsten Satzteile reduziert. (Beispiel: "Eine schöne Geschichte!")
Epanalepse: Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang des Satzes.
Epipher: Wiederholung des gleichen Wortes am Ende von Wortgruppen, Sätzen oder Perioden. (Beispiel: "Oh Mutter! Was ist Seligkeit? / Oh Mutter! Was ist Hölle / Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit / Und ohne Wilhelm Hölle!")
Hypotaxe: Unterordnung von Sätzen (Schachtelsätze).
Kolon (Plural: Kola): Rhythmische Sprecheinheit von wenigen Worten.
Parallelismus: Klare Gleichordnung von Satzkonstruktionen. (Beispiel: "Heiß ist die Liebe, kalt ist der Schnee.")
Parataxe: Nebenordnung von Sätzen.
Perspektive: Standort des Erzählers, von dem aus ein Geschehen geschildert wird.
Zeugma: Ein Verb beherrscht mehrere gleichgeordnete, aber nicht gleichartige Objekte bzw. Sätze. (Beispiel: "Als Viktor zu Joachime kam, hatte sie Kopfschmerzen und Putzjungfrauen bei sich.").
Alliteration: Übereinstimmung im Anlaut zweier oder mehrerer Wörter. (Beispiel: "... brach Balken Bogen und Bande.")
Assonanz: Gleichklang nur der Vokale vom letzten Akzent an. (Beispiel: "Keine Feier ohne Meier.")
Lautmalerei: Sprachliche Bildungen, deren Klang einen bestimmten Klang wiedergibt. (Beispiele: "summen, plätschern, quitschen")

Versmaße

Jambus: Zweiteiliger Versfuß, eine unbetonte Silbe und eine betonte Silbe, Gesang, Beispiel: "Befiehl du deine Wege ..."

Trochäus: Zweiteiliger Versfuß, eine betonte und eine unbetonte Silbe, einzig, Beispiel: "Rückwärts, rückwärts, Don Rodrigo!"

Daktylus: Dreiteiliger Versfuß, eine betonte und zwei unbetonte Silben, Wasserfall, Beispiel: "Hab ich den Markt und die Straßen doch ..."

Anapäst: Dreiteiliger Versfuß, zwei unbetonte und eine betonte Silbe, Wie mein Glück, Beispiel: "Übers Jahr, übers Jahr, wenn der Frühling dann kommt ..."


Enjambement (Zeilensprung): Übergreifen des Satz- und Sinnzusammenhanges von einer Zeile zur anderen.

Reim: Klangliche Identität nach dem letzten betonten Vokal.

Rhythmus: Gliederung des Sprachflusses; beruht auf Spannung zwischen metrischem Schema und natürlicher Wortbetonung.

Reicher Reim: Klangliche Identität vom vorletzten betonten Vokal ab.

Rührender Reim (identical rime): Wie der reiche Reim, nur gilt die Identität für Vokale und Konsonanten! (Beispiel: "Gefangen, verfangen.")

Binnenreim: Wenn das Reimwort im Inneren der Verszeile wiederaufgenommen wird.

Männlicher (stumpfer) Reim: Reimwort endet auf eine betonte Silbe: "sag - mag".

Weiblicher (klingender) Reim: Reimwort endet auf unbetonte Silbe: "gesungen - gesprungen".


Reimstellung:

Reimpaar: (aa bb cc ...)

Kreuzreim: (abab)

Verschränkter Reim: (abba) innerhalb von 4 Versen

Schweifreim: (aabccb) innerhalb von 6 Versen


Stand: Oktober 1998

© 1998    Jürgen Matoni