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Glossar zur Gedichtinterpretation

Akzent
Akzent, der (lat. accentus = Hinzugesang): Deutliche Hervorhebung bzw. Betonung einer Silbe im Wort oder eines Wortes im Satz. Auf dem Wort-Akzent, d. h. der natürlichen Wortbetonung, beruht das akzentuierende Versprinzip des Deutschen (und anderer germanischer Sprachen), genauer: auf der Anordnung bzw. dem (regelmäßigen oder freien) Wechsel von betonten Silben (Hebungen) und unbetonten Silben (Senkungen).

Alexandriner
Alexandriner, der (nach seiner Verwendung in der altfranz. Alexanderepik benannt): Verszeile aus 6 Jamben mit obligater Zäsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3. Hebung (betonte Silbe). Beispiel: Ich weiß nicht, was ich will, ich will nicht, was ich weiß

Alliteration
Alliteration, die (neulat. alliteratio = hinzu und letter): Reimform, bei der im Anlaut zwei oder mehrere Wörter übereinstimmen. Beispiel: ... brach Balken Bogen und Bande; bei Wind und Wetter (Stabreim).

Anakoluth
Anakoluth, der (griech. an-akoluthos = ohne Folge): Eine begonnene Satzkonstruktion wird nicht richtig fortgesetzt, weil die Gedanken mitten im Satz eine andere Richtung nehmen. Beispiel: Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reißend, / Den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust ...

Anapäst
Anapäst, der (griech. anapaistos = aufgestoßen): Der Zurückgeschlagene, d. h. scheinbar umgekehrter Daktylus. In der deutschen Nachbildung des antiken Versfußes eine betonte Silbe und zwei unbetonte Silben; Beispiel: Glasschale; dreisilbiger antiker Versfuß: durch Anzahl und Abfolge sowie Dauer oder Gewicht definierte Folge von Silben; in der deutschen Nachbildung zwei unbetonte Silben und eine betonte Silbe. Beispiel: Wie mein Glück ist mein Lied.

Anapher
Anapher, die (griech. anaphora = Beziehung, Zurückführung): Wiederkehr desselben Wortes oder der Wortgruppe zu Beginn mehrerer aufeinanderfolgender Verse oder Strophen. Beispiel: Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll; Zähle die Mandeln, / zähle, was bitter war und dich wachhielt, / zähl mich dazu.
Gegensatz: Epiphora.

Antithese
Antithese, die (griech.: Gegensatz): Stilmittel und rhetorische Figur. Die Zusammenstellung logisch entgegengesetzter Begriffe. Beispiel: jung und alt; Gut und Böse; Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang.

Assonanz
Assonanz, die (von lat. assonare = einstimmen): Gleichklang nur der Vokale in 2 oder mehreren Wörtern (vokalischer Halbreim), vom letzten Akzent an. Beispiel: Unterpfand - wunderbar.

Ballade
Ballade, die (von ital. ballata, provenzalisch balada = Tanzlied): ursprünglich die Bezeichnung für ein Tanzlied mit Refrain (regelmäßig und meist am Strophenende wiederkehrende Verszeilen). Seit dem 18. Jh. versteht man unter Ballade ein Gedicht, das in meist knapper, dramatischer Form ein ungewöhnliches oder dämonisch spukhaftes, häufig tragisches Geschehen erzählt (z. B. Die Brück' am Tay, Fontane). Neben dem seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gesammelten und gedruckten Erzähllied = Sammelbezeichnung für erzählende Volkslieder (Ballade, Schwank, Legende, Moritat) entsteht um 1775 die deutsche Kunstballade (Hölty, Bürger). Bekannte Balladen stammen u. a. von Goethe, Schiller, Uhland, C. F. Meyer, Droste-Hülshoff, im 20. Jahrhundert Brecht.

Bild
Bild, das: Zusammenfassende Bezeichnung für alle bildlichen (uneigentlichen) Ausdrucksweisen in der Lyrik. Häufig wird auch schon als Überbegriff Metapher verwendet.
Siehe auch Tropen.

Binnenreim
Binnenreim, der: Reim zweier Wörter innerhalb einer Verszeile. Beispiel: Sie blüht und glüht und leuchtet.

Chiasmus
Chiasmus, der (nach dem griechischen Buchstaben Chi = X): Symmetrische Überkreuzstellung zweier Elemente, Worte bzw. Wortgruppen, die über Kreuz bzw. spiegelbildlich stehen. Beispiel: Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben.

Chiffre
Chiffre, die (franz. = Ziffer, Zahl): Worte oder Wortverbindungen, deren Bedeutung nicht dem selbstverständlichen Gehalt entsprechen, die nur im Textzusammenhang geklärt werden können. Chiffren werden in moderner Lyrik bei den gleichen Dichtern immer wieder innerhalb eines bestimmten Bedeutungszusammenhangs verwendet. Bei Trakl ist es z. B. blau zusammen mit Wild, Steppe. Für Benn dagegen ist blau "das Südwort schlechthin." Die Chiffre muß deshalb immer zuerst entziffert werden.

Dinggedicht
Dinggedicht, das: Gedichttypus, deutlich ausgeprägt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Mörike, Conrad Ferdinand Meyer); ein (Kunst-) Gegenstand oder ein Lebewesen wird distanziert und objektiviert erfaßt, beschrieben und dadurch letztlich nicht nur symbolisch, sondern oft auch subjektiv gedeutet, z. b. Rilkes Dinggedichte oder Eduard Mörikes 'Auf eine Lampe'.

Elegie
Elegie, die (Wortherkunft unsicher; vielleicht phrygisch elegn = Flöte): Subjektive Gefühlslyrik, meist Klagen und entsagende Wehmut. Eine Reihung von Distichen.
Schiller definiert das Elegische als Sehnsucht nach dem Ideal, im Gegensatz zum Idyllischen, in dem das Ideal verwirklicht ist, und dem Satirischen, in dem die herrschenden Zustände angeprangert werden.

Ellipse
Ellipse, die (griech. elleipsis = Auslassung, Mangel): Die Aussage wird auf die wichtigsten Teile reduziert. Beispiel: Eine schöne Geschichte; was nun?

Emblem
Emblem, das (griech. emblema = Eingefügtes, Einlegearbeit): Sinnbild, dem ein bestimmter Sinn zugeordnet ist. Beispiel: Palme als Sinnbild der Treue.

Enjambement
Enjambement, das (franz. = Überschreitung): Versbrechung, Zeilensprung. Das Übergreifen des Satz- und Sinnzusammenhanges von einer Zeile zur anderen.

Epanalepse
Epanalepse, die (griech. epanalepsis = Wiederaufnahme): Wiederholung eines Wortes oder einer Wortgruppe am Anfang des Satzes. Beispiel: Gott, Gott erbarmt sich unser. Oder am Ende des Satzes: Laß sausen durch den Hagedorn, laß sausen, Kind laß sausen.

Epigramm
Epigramm, das (griech. epigramma = Aufschrift): Gedichtgattung von prägnanter geistvoll-zugespitzter Kürze, (Sinngedicht).

Epiphora
Epiphora, Epipher, die (griech. = Herzubringen, Zugabe): Die Wiederholung von Wörtern oder Wortgruppen am Ende mehrerer aufeinanderfolgender Verse oder Strophen wird als Epipher bezeichnet Beispiel: Doch alle Lust will Ewigkeit -, / - will tiefe, tiefe Ewigkeit!
Gegensatz: Anapher.

Euphemismus
Euphemismus, der (griech. euphemein = Worte guter Vorbedeutung gebrauchen): Etwas Schreckliches oder Feindliches wird gegenteilig bezeichnet, beschönigt. Beispiel: Kap der guten Hoffnung.

Figurengedicht
Figurengedicht, das: Bilderlyrik. Durch Anordnung längerer und kürzerer Verszeilen im Schriftbild wird ein Gegenstand nachgebildet. Dabei steht die Gestalt in Beziehung zum Inhalt, z. B. Sanduhr, Herz oder wie bei Chr. Morgenstern 'der Trichter'.

Freie Rhythmen
Freie Rhythmen, die: Reimlose, metrisch ungebundene, rhythmisch geprägte Verszeilen. Ohne metrisch festgelegte Strophenform, doch sinngemäß in Gruppen unterschiedlicher Länge gegliedert.

Freie Verse
Freie Verse, die (franz. vers libre): Gereimte Zeilen von unterschiedlicher Länge, durchgehend Jamben (eine unbetonte und eine betonte Silbe) oder Trochäen (eine betonte und eine unbetonte Silbe) mit oder auch ohne Strophenform.

Gattung
Gattung, die: Unterteilungsbegriffe für literarische Texte, Lyrik, Epik und Dramatik. Untergattungen, Genres Dichtungsarten, sind Unterteilungen der eigentlichen Gattungen. Bei der Lyrik z. B. Ballade, Elegie, Hymne, Ode, Sonett. Unterteilung nach formalen oder auch inhaltlichen Kriterien.

Hymne
Hymne, die (griech. hymnos): Feierlicher Preis-, Lob- und Festgesang. Bei Klopstock Erweiterung über religiöse Anlässe hinaus, auch z. B. übersteigerte patriotische Gefühle. Mit Novalis (Hymnen an die Nacht) und Hölderlin wird die romantische Todessehnsucht mit einbezogen.

Hyperbel
Hyperbel, die (griech. hyperbole: Übermaß): Stilmittel, Steigerung des Ausdrucks durch Unter- und Übertreibung bei Charakterisierungen oder Gleichnis. Beispiel: Balken im Auge; eine Ewigkeit warten.

Hypotaxe
Hypotaxe, die (griech. hypotaxis = Unterordnung): Im Gegensatz zur Parataxe die Unterordnung in der Satzgliederung. Aufgliederung des Gedankens in Haupt- und abhängigen Nebensätzen, (Schachtelsätze).

Inversion
Inversion, die (lat. inversio = Umkehrung): Umkehrung der üblichen Wortstellung. Meist Subjekt und Prädikat, um einen Begriff hevorzuheben. Beispiel: Groß ist die Diana der Epheser; häufig aus metrischen Gründen. Beispiel: Röslein rot.

Jambus
Jambus, der (griech. iambos v. iaptein = schleudern, Wortherkunft unsicher): Zweiteiliger antiker Versfuß, in der deutschen Nachbildung: eine unbetonte Silbe und eine betonte Silbe, Beispiel: Gesang.

Katachrese
Katachrese, die (griech. katachresis = Mißbrauch): Verwendung eines nicht passenden Ausdrucks, fehlerhaft oder absichtlich (Bildbruch). Beispiel: Er pflückte Kartoffeln; laute Tränen; welkes Licht.

Kolon
Kolon, das (griech. = Glied, Plural: Kola): 'Wortfuß' Rhythmische Sprecheinheit von wenigen Worten, bis zu sechs Versfüßen.

Kreuzreim
Kreuzreim, der, auch Wechselreim genannt: Paarweise gekreuzte Reimstellung. Es reimt der erste mit dem dritten, der zweite mit dem vierten Vers usw. (ababcdcd). Der Kreuzreim wird häufig im Volkslied und volkstümlicher Lyrik verwendet.

Lautmalerei
Lautmalerei, die: Sprachliche Bildungen, deren Klang einen bestimmten Klang wiedergibt. Beispiele: summen; plätschern; quietschen.
Siehe auch: Onomatopoesie.

Leitmotiv
Leitmotiv, das: Wiederholtes Auftauchen eines Gegenstandes oder Ereignisses an bedeutsamer Stelle. Das Leitmotiv hat eine gliedernde und verbindende Funktion, die vorausdeutet oder zurückverweist.

Litotes
Litotes, die (griech. = Schlichtheit): Rhetorische Figur, verstärkte Hervorhebung eines Begriffs durch Untertreibung, durch die Verneinung oder Abschwächung seines Gegenteils. Das heißt, daß etwas Positives durch die Verneinung des Gegenteils ausgedrückt wird. Beispiel: Wir haben nicht wenig gelacht; nicht übel.

Locus amoenus
Locus amoenus, der (lat.: lieblicher Ort): Topos der Natur- und Idyllendichtung. Eine ideale und fiktive Landschaft, zusammengesetzt aus den stets gleichen 'Requisiten' (Quelle/Bach, Hain, Wiese, Vögel). Bekannt seit der Antike, ist der Locus amoenus vor allem in der Literatur des Mittelalters und des 17. Jahrhunderts (Schäferdichtung) der stereotype und idyllische Ort der Liebe und des Gesanges. In der geistlichen Dichtung des Barock wird dieser klassische Lustort zum christlichen Paradiesgarten umgedeutet.

Lyrik (Gattung)
Lyrik, die (griech. lyra = Leier): Die subjektivste der Gattungen literarischer Texte - Lyrik Epik und Dramatik. Sie wird meist als die Gestaltung seelischer Vorgänge durch den Dichter gesehen. Die Lyrik ist in verstärktem Maße durch Sprachschöpfung gekennzeichnet, in welcher der Einzelfall des Erlebnisses ins Allgemeingültige, Symbolische erhoben wird.

Lyrisches Ich
Lyrisches Ich, das: Das in einem Gedicht empfindende und aussagende Subjekt. Es wird in einigen Fällen mit dem Autor gleichgestellt, indem Erlebnisse und Empfindungen auf die Biographie des Dichters bezogen werden. Dieser biographische Ansatz hat besonders bei der 'Rollenlyrik' Fehldeutungen zur Folge, insbesondere wenn bei der psychoanalytischen Literaturinterpretation eher der Autor als der Text in den Blick gerät. Ob eine Unterscheidung zwischen lyrischem Ich und Autor möglich und notwendig ist, wird in der Literatur kontrovers gesehen.
In der jetzigen Diskussion innerhalb der Gedichtinterpretation wird der Begriff lyrisches Ich meist wertneutral als 'Sprecherinstanz' des Textes gesehen.

Männlicher Reim
Männlicher Reim, der: Einsilbiger Reim, mit einer Hebung (betonte Silbe) endender Reim (stumpfer Reim). Beispiel: Schuld - Huld; Gewalt - Gestalt. Gegensatz: weiblicher Reim.

Metapher
Metapher, die (griech. metaphora = Übertragung): Wichtigste uneigentliche Sprachform. Die Metapher wird häufig als verkürzter Vergleich gesehen. Beispiel: Achill war im Kampf ein Löwe. In der Metapher ist ein bestimmter Begriff in einen ursprünglich fremden Bedeutungsbereich übertragen worden. Beispiel: Das Meer des Lebens. Der Strom des Lichts. Metaphern des täglichen Lebens wie z. B. Tischbein, werden als verblaßte Metaphern bezeichnet.
Problematisch wird der Begriff Metapher in der modernen Lyrik, z. B. bei Celan oder Benn. Bei diesen Metaphern behilft man sich mit Begriffen wie 'absolute Metapher', die dann noch als 'dunkel' und 'vieldeutig' dargestellt werden.

Metonymie
Metonymie, die (griech. = Umbenennung): Ersetzung des eigentlich gemeinten Wortes durch ein anderes, das in einer realen Beziehung zu diesem steht. Beispiel: ein Glas trinken. Oft stehen die beiden Begriffe im Verhältnis von Ursache (Autor) und Wirkung (Werk). Beispiel: im Schiller lesen. Die Metonymie als Mittel der uneigentlichen Rede unterscheidet sich von der Synekdoche dadurch, daß sie nicht innerhalb des selben Begriffsfelds zu bleiben braucht.
Siehe auch Synekdoche.

Metrik
Metrik, die (griech. metrike techne: Kunst des Messens): Lehre von den strukturbildenden Prinzipien der Verssprache = Versmaße und Strophen, sowie Reim und Rhythmus als Gliederung der dichterischen Sprache.

Metrum
Metrum, das (lat. griech. metron = Maß): Versmaß, das im Unterschied zum Rhythmus das metrische Schema des Versaufbaus ordnet. Das Metrum regelt die Anordnung des Wort—Akzents, das heißt die Abfolge von betonten und unbetonten Silben.

Neologismus
Neologismus, der (griech. neos = neu, logos = Wort): Neubildung von Begriffen. In der modernen Lyrik besonders zum Ausdruck neuer Sinngehalte. Beispiel: Steintag (Celan).

Ode
Ode, die (griech. Gesang): Antiker Chorgesang. Lyrik in weihevoller, feierlich - erhabener und schwungvoller Form. Mit hymnischen, Tönen z. B. Gellerts 'Die Himmel rühmen', vertont durch Beethoven.

Onomatopoesie
Onomatopoesie, die (griech. onoma = Name; poiein = schöpfen): Lautmalende Wörter oder Wortneubildungen. Der Versuch der Wiedergabe von nichtsprachlichen Geräuschen: klirren; surren; oder auch Tiernachahmungen wie Kuckuck;
Siehe auch Lautmalerei.

Oxymoron
Oxymoron, das (griech. oxys: scharf; moros: dumm; scharfsinnige Dummheit): rhetorische oder Stilfigur. Die Verbindung zweier Vorstellungen, die sich eigentlich ausschließen. Beispiel: bittere Süße; schwarze Milch der Frühe; traurigfroh; ein sehr redendes Stillschweigen.

Paarreim
Paarreim, der: Form der Reimbildung mit jeweils zwei aufeinanderfolgenden Versen, (aa bb cc usw).

Parallelismus
Parallelismus, der (griech. parallelos = gleichlaufen): Klare Gleichordnung von Satzkonstruktionen, eine symmetrische syntaktische Konstruktion. Beispiel: Heiß ist die Liebe, kalt ist der Schnee.

Parataxe
Parataxe, die: Nebenordnung von Sätzen.

Periphrase
Periphrase, die (griech. periphrasis): Erweiternde Umschreibung eines Begriffs, der über einen Umweg erschlossen werden muß. Beispiel: Als sie ihn sah, fühlte sie die Hand Amors...
Siehe auch Umschreibung.

Personifikation
Personifikation, die (lat. persona und facere = machen): Rhetorische Figur, bei der abstrakte Begriffe, Kollektiva, Naturerscheinungen und Dinge vermenschlicht werden. Beispiel: Der Winter ist ein rechter Mann.

Perspektive
Perspektive, die (lat. perspicere = durch- hineinsehen): Standpunkt des Erzählers, von dem aus ein Geschehen aufgefaßt und geschildert wird. (Erzählhaltung; point of view)

Poetik
Poetik, die (griech. poietike techne = Dichtkunst): Lehre von Wesen, Gattungen und Formen der Dichtung und den Techniken, Strukturen und Darstellungsmitteln. Wichtige Poetiken: Horaz, De arte poetica; Opitz, Buch von der Deutschen Poetery, 1624; Gottsched, Versuch einer Critischen Dichtkunst, 1730. Meist normative und praktische Anweisungen wie z. B. G. Freytags Technik des Dramas, 1863.

Reim
Reim, der: (mhd. rim): Zuerst als Verszeile. Seit dem 18. Jh. (Opitz) als Endreim gesehen.
Der Endreim ist durch den vollständigen lautlichen Gleichklang mehrerer Wörter vom letzten betonten Vokal ab (ohne die Konsonanten) definiert.
Reime sind z. B. der Kreuzreim abab usw.; der Paarreim aabb usw.; der Schweifreim aabccb usw; der umarmende Reim abba usw.; der verschränkte Reim abc[d] abc[d] usw.
Der 'männliche' oder auch stumpfe Reim ist der einsilbige Reim, der mit einer Hebung (einer betonten Silbe endet). Der 'weibliche' oder klingende Reim, der zweisilbige Reim, der mit einer Senkung (einer unbetonten Silbe) endet.
Der Binnenreim steht innerhalb des Verses. Beispiel: Sie blüht und glüht und leuchtet.
'Unreine' Reime, auch Halbreime genannt, weisen keine vollständige Übereinstimmung in Vokalen und Konsonanten auf. Beispiel: flieht - blüht; Menschen - Wünschen.

Rhetorik
Rhetorik, die (griech. rhetorike techne = Redekunst): Theorie und Technik der (öffentlichen) Redekunst. Im Gegensatz zur Dichtung mit dem Ziele der überzeugenden Darstellung eines Standpunktes und/oder der Überredung. Die Rhetorik verlagerte sich im Laufe der Zeit auf die Schriftlichkeit und wurde Bestandteil der Poetiken, so daß Begriffe und Techniken Einlaß fanden in die Beschreibung auch von Lyrik.

Rhythmus
Rhythmus, der (Wortherkunft unsicher): In der neueren Verstheorie und im akzentuierenden Versprinzip des Deutschen (Silben werden nach dem Kriterium betont/unbetont unterschieden) wird der Rhythmus meist verstanden als die konkrete Erfüllung des Metrums (Metrum: vorgeprägtes Schema, regelt die Silbenfolge einer Verszeile im Rahmen des in der jeweiligen Sprache gültigen Versprinzips, im Deutschen auf der Grundlage des Wort-Akzents, d. h. betonter/unbetonter Silben). Rhythmus entsteht durch Setzen der Akzente durch den Leser, er ist also vom Verständnis des Lesers abhängig, der die Betonung und die Pausen innerhalb des festgelegten Metrums setzt.

Rollenlyrik
Rollenlyrik, die: Rollengedicht als Bezeichnung für Gedichte, in denen der Autor eine Figur in Ich-Form sprechen läßt, meist als typische Gestalt des Schäfers, Liebhabers, Wanderers usw. Diese Rollenform wird häufig schon im Titel zum Ausdruck gebracht, z. B. Schäfers Klagelied (Goethe) oder Der Spinnerin Lied (Brentano).

Sinnbild
Sinnbild, das: Ersatzbegriff für Emblem und Symbol.

Sonett
Sonett, das (ital. sonetto = Tönchen): Aus dem Italienischen stammende Gedichtform mit strengem Aufbau. Im Deutschen meist fünffüßige Jamben. Das Sonett besteht aus zwei Teilen, zwei vierzeiligen Quartetten und zwei dreizeiligen Terzetten.
Die Reime in den Quartetten folgen dem Schema abba abba (umschlingender Reim) während in den Terzetten unterschiedliche Reimstellungen möglich sind.

Stil
Stil, der (lat.: stilus = Griffel, Schreibart): Im Bereich der Literatur die Gesamtheit aller grammatischen, rhetorischen Eigenarten und Besonderheiten der Äußerung eines Autors = Personalstil; einer Gesellschaft = Regionalstil; einer Zeit = Epochenstil, oder auch eines Werks usw.

Strophe
Strophe, die (griech. = Wendung): Verbindung von Verszeilen mit gleichem oder aber auch unterschiedlichem Bau, die im Gedicht meist regelmäßig wiederkehren und optisch voneinander getrennt sind. Sie bilden die metrische Einheit des Gedichtes.

Symbol
Symbol (griech. symbolon = Kennzeichen, Zeichen): Verwendung eines Begriffs in verabredeter oder unmittelbar einsichtiger Bedeutung, der zur verkürzten Darstellung eines Sachverhaltes dient und auf einen höheren, abstrakten Bereich verweist. Beispiel: Kreuz; Fahne.

Synästhesie
Synästhesie, die (griech. Synaisthesis = Zugleichempfinden): Koppelung oder Verschmelzung unterschiedlicher Wahrnehmungen (Gehörs-, Gesichts-, Tast- und Geruchsempfindung = Farbenhören Klangsehen). Beispiele: Durch die Nacht, die mich umfangen / blickt zu mir der Töne Licht ...;

Synekdoche
Synekdoche, die (griech. = Mitverstehen): Verwendung des engeren Begriffs, um einen weiteren darzustellen oder umgekehrt; genannt wird also statt der Art die Gattung und umgekehrt, Beispiel: Brot für Nahrung; statt des Teils das Ganze und umgekehrt (pars pro toto), Beispiel: Segel für Schiff; statt der Einzahl die Mehrzahl und umgekehrt Beispiel: Der Spanier ist stolz.
Siehe auch Metonymie.

Topos
Topos, der (griech. = Ort, Gemeinplatz): Aus der Tradition stammendes literarisches Klischee. Die Topoi sind vorgeprägte Formeln und stereotype Bilder aus der antiken Rhetorik. Beispiel: Verkehrte Welt; Die gute alte Zeit; Der "locus amoenus" = fertige Landschaftsszenerie, eine Idylle mit Wiesen, Wald, Quellen und Vogelgesang.

Trochäus
Trochäus, der (griech. trochaios = laufend): Zweisilbiger antiker Versfuß (Gegensatz Jambus), der in der deutschen Nachbildung durch eine betonte Silbe und eine unbetonte Silbe gekennzeichnet ist. Beispiel: Sonne; einzig.

Tropen
Tropen, die (griech. tropos = Wendungen; sing. Tropus, der): In Stilistik und Rhetorik alle bildlichen Ausdrucksweisen. Zu ihnen gehören die Metapher, Metonymie; Hyperbel usw.
Siehe auch Bild.

Umschreibung
Umschreibung, die: Der eigentliche Gegenstand oder Sachverhalt muß über einen Umweg erschlossen werden. Beispiel: Als sie ihn sah, fühlte sie die Hand Amors ...
Siehe auch Periphrase.

Verdinglichung
Verdinglichung, die (von Abstrakta): Beispiel: Die Schale des Schreckens; wachsende Angst; befleckte Ehre.

Vergleich
Vergleich, der: Stilmittel, das die Anschaulichkeit bzw. Besonderheit eines Dings, einer Vorstellung usw. dadurch erhöht bzw. betont, daß diesem bzw. dieser ein analoges 'Gegenbild' gegenübergestellt wird, wobei es zwischen beiden ein ausgesprochenes oder unausgesprochenes Gemeinsames (tertium comparationis) gibt. Das heißt, daß eine Sache mit einer anderen verglichen wird: "Fest wie ein Baum stand er" ;"er war stark wie ein Löwe."

Versfuß
Versfuß, der: Takt als kleinste metrische Einheit des Metrums.

Versmaß
Versmaß, das (Metrum): Im Unterschied zum Rhythmus das metrische Schema, das den Versaufbau ordnet. Das Metrum regelt die Anordnung des Wort—Akzents, das heißt die Abfolge von betonten und unbetonten Silben.

Weiblicher Reim
Weiblicher Reim, der: Zweisilbiger Reim, mit einer Senkung (unbetonte Silbe) endender Reim (klingender Reim). Beispiel: sagen - klagen; Sterne - Ferne. Gegensatz: männlicher Reim.

Zäsur
Zäsur, die (lat. caesura = Schnitt): Ein durch ein Wortende markierter Einschnitt meist in Syntax aber auch Metrum innerhalb der Verszeile, die den Vers in mehrere Teile (Kola) gliedert.

Zeugma
Zeugma (griech. = Zusammengefügtes): Ein Verb beherrscht mehrere gleichgeordnete, aber nicht gleichartige Objekte bzw. Sätze. Beispiel: Als Viktor zu Joachime kam, hatte sie Kopfschmerzen und Putzjungfrauen bei sich.


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© 1998  Jürgen Matoni, matoniphil-fak.uni-duesseldorf.de