Sie
haben wesentlichen Anteil an der großen Arbeit gehabt, durch welche
Shakespeare dem deutschen Volke in das Herz geschlossen wurde, in der
heiteren Muße eines schön gehaltenen Lebens haben Sie unsere
Kenntnis früherer Literaturperioden nach mehr als einer Richtung
gefördert, mir selbst ist die Freude geworden, mit Ihnen einzelne
Kunstregeln und Hilfsmittel dichterischer Arbeit in guter Stunde durchzusprechen.
So lassen Sie sich gefallen, daß Ihr Name als günstige Vorbedeutung
diesem Buche vorsteht. Ein Einzelner wünscht Ihnen dadurch öffentlichen
Dank für Vieles auszusprechen, womit Sie unserem Volke wohlgetan
haben.
Was ich
Ihnen darbiete, soll kein ästhetisches Handbuch sein, ja es soll
vermeiden, das zu behandeln, was man Philosophie der Kunst nennt. Zumeist
solche Erfahrungen wünschte ich aufzuzeichnen, wie sie der Schaffende
während der Arbeit und auf der Bühne erwirbt, oft mit Mühe,
auf Umwegen, spät für beglückenden Erfolg. Ich hoffe, auch
in dieser Gestalt mag das Buch einigen Nutzen stiften. Denn unsere Lehrbücher
der Ästhetik sind sehr umfangreiche Werke und reich an geistvoller
Erklärung, aber man empfindet zuweilen als Übelstand, daß
ihre Lehren gerade da aufhören, wo die Unsicherheit des Schaffenden
anfängt.
Die folgenden Blätter suchen also zunächst
einen praktischen Nutzen, sie überliefern jüngeren Kunstgenossen
einige Handwerksregeln in anspruchsloser Form. Die Veranlassung dazu fand
ich in gelegentlichen Anfragen einzelner Schaffenden und in den Dramen,
welche ich in der Handschrift zu lesen hatte. Wohl jeder, dem das Vertrauen
anderer ein schriftliches Urteil über ein neues Stück abfordert,
hat erfahren, wie schwer, ja wie unmöglich es ist, eine ehrliche
Überzeugung im Raum eines Briefes so zu begründen, daß
der Dichter, noch warm von der Arbeit und befangen in den beabsichtigten
Wirkungen, die Billigkeit des Tadlers und die Berechtigung der fremden
Ansicht erkenne. Und nicht immer ist Muße, die Handschrift zu lesen
und eingehend zu antworten.
Was auf diesen Blättern in Kürze dargestellt
wird, ist auch kein Geheimnis, kein neuer Fund. Fast jeder, der auf unserer
Bühne einige Erfahrung erworben hat, handhabt, mehr oder weniger
sicher, die folgenden Regeln. Auch nicht die möglichste Vollständigkeit
technischer Vorschriften suchte ich zu erreichen. Sie lassen sich sehr
häufen, jeder Schaffende besitzt seine besondere Art zu arbeiten
und gewisse ihm eigene Mittel zu wirken. Es kam hier darauf an, die Hauptsache
herauszuheben und dem jüngeren Dichter den Weg zu weisen, auf dem
er sich selbst zu fördern vermag.
Wenn aber der Freund fragen sollte, ob, wer selbst
für die Bühne schreibt, nicht vorziehe, die Arbeitsregeln durch
eigene Erfindung annehmbar zu machen, so will ich dieses Buch auch entschuldigen.
Es werden alljährlich in Deutschland vielleicht hundert Dramen ernsten
Stils geschrieben, wohl neunzig davon verschwinden in Handschrift, ohne
auf die Bühne, selbst ohne zum Druck zu gelangen. Von den zehn übrigen,
welche eine Aufführung durchsetzen, geben vielleicht nicht drei den
Darstellern eine würdige und lohnende Aufgabe, den Zuhörern
die Empfindung eines Kunstgenusses. Und unter den vielen Werken, welche
untergehen, bevor sie lebendig geworden sind, sind allerdings zahlreiche
Versuche Unfähiger, aber auch manche Arbeit hochgebildeter und tüchtiger
Männer. Das ist doch eine ernste Sache. Hat sich die Talentlosigkeit
in Deutschland eingebürgert, und sind wir sechzig Jahre nach Schiller
noch so arm an dramatischem Leben?
Und sieht man solche Arbeiten näher an, so
wird man die Beobachtung machen, daß hier und da sich allerdings
achtungswerte Kraft regt, aber formlos, zuchtlos, mit seltsamer Unbehilflichkeit
im Herausheben der Wirkungen, welche dem Drama eigentümlich sind.
Noch immer wird den Deutschen sehr schwer, was
unsere westlichen Nachbarn leicht erwerben, Verständnis dessen, was
auf der Bühne darstellbar ist. Wollte man den treuen Bundesgenossen,
der in Karlsruhe mit unermüdlicher Sorgfalt unbrauchbare Stücke
beurteilt, nach seinen Erfahrungen fragen, er würde wahrscheinlich
als letzten Grund dieser dramatischen Schwäche hervorheben, daß
unsere Dichter nicht selbst auf der Bühne den Ball werfen wie Sophokles
oder geisterhaft im Harnisch schreiten wie Shakespeare.
Dieser Übelstand läßt sich allerdings
nicht beseitigen. Man kann unsere jungen Dichter nicht veranlassen, sich
in dem Rollenfach zweiter Liebhaber für die Kunst zu ziehen, man
kann unsere Schauspieler, denen ihre schöne Kunst zur anstrengenden
Tagesarbeit geworden ist, nicht mit behaglicher Ruhe und Muße umgeben.
Aber durch eine genauere Bekanntschaft mit der Bühne und ihren Bedürfnissen
läßt sich für die Dichter doch Vieles lernen.
Nur wird diese Bekanntschaft allein, bei der Stillosigkeit,
die auch auf unsern Theatern herrscht, nicht alles bessern. Denn es scheint,
daß auch unsere Schauspieler unsicher werden im Gebrauch der Kunstmittel,
denen sie ihre besten Wirkungen verdanken. Deshalb, meine ich, ist die
Zeit gekommen, wo ernstes Nachdenken über Gesetz und Regel not tut.
Und noch einen Grund gibt es, der solches Niederschreiben
nützlich machen kann. Auch Sie haben sich die schöne Eigenschaft
des reifen Alters bewahrt, hoffnungsvoll in die deutsche Zukunft zu blicken.
Vielleicht scheint auch Ihnen eine Zeit nicht mehr in unerreichbarer Ferne
zu liegen, in welcher der Deutsche mit Selbstgefühl und stolzem Behagen
das eigene Leben mustert. Dann mag der Frühling für ein reichliches
Blühen des Dramas gekommen sein. Und für diese Periode dem auflebenden
Geschlecht die Pfade von einigen Dornen zu säubern, ist immerhin
keine erfolglose Arbeit.
Dies Buch handelt nur von dem Drama hohen Stils,
das Schauspiel ist nebenbei erwähnt. Die Technik unseres Lustspiels
darzustellen ist deshalb bedenklich, weil zwar zwei Arten desselben, Familienstück
und Posse, bei uns eine breite und behagliche Ausbildung erhalten haben,
die höchste Gattung der Komödie aber überhaupt noch kaum
auf der neueren Bühne lebendig geworden ist. Ich meine die launige
und humoristische Darstellung des beschränkten Empfindens, Wollens
und Tuns, welche über die Anekdote des häuslichen Lebens hinausgeht
und weitere Kreise menschlicher Interessen behandelt. Wenn erst Schwäche
der Fürsten, politische Spießbürgerei des Städters,
Hochmut des Junkertums, die zahlreichen sozialen Verbildungen unserer
Zeit ihre heitere und stilvolle Verwertung in der Kunst gefunden haben,
dann wird es auch eine ausgebildete Technik des Lustspiels geben.
Daß ich unter den Beispielen die Spanier
und die Klassiker der Franzosen nicht aufgeführt habe, werden Sie
billigen. Schönheiten und Fehler des Calderon und Racine sind nicht
die unseren, wir haben von ihnen nichts mehr zu lernen und nichts zu fürchten.
Leipzig, 1863
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