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Gustav Freytag


Die Valentine. Zweiter Akt

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Worterklärungen
Worterklärungen

Erste Szene.

Baumpartie im Park.

Georg. Hofmarschall.

Hofmarschall: Alles vortrefflich angeordnet, Herr Saalfeld. Um elf Uhr gibt eine Fanfare das Zeichen zum Beginn des Festes. Die Damen ziehen, ganz gleich kostümiert – ich habe das Kostüm gesehen, superb! – durch den dunklen Buchengang bis zu den kleinen verschlossenen Zelten. O, diese Zelte! Sie sind ein Zauberer, lieber Saalfeld. Jede Dame schlüpft in ihr verborgenes Zelt. – Darauf wieder Fanfare, kriegerische Musik, die Kavaliere in der himmlischen Tracht Heinrichs IV. reiten paarweise im Galopp an die andere Seite der verschlossenen Zelte; sie steigen ab, jeder Kavalier wählet ein Zelt und hängt seine Schärpe an demselben auf; die Zelte öffnen sich, die Damen schweben hervor, die Kavaliere knien nieder und empfangen die Schärpen der Damen; die Damen schmücken sich mit denen ihrer Valentine. Darauf großer Zug zu den errichteten Schranken, Turnier, das heißt Ringelstechen, die Damen verteilen die Preise. O, das ist der Anfang glücklicher Tage.
Georg: Ich bin glücklich, Ihre Zufriedenheit erworben zu haben. Erlauben Sie mir jetzt, noch auf einen zarten Punkt zu kommen.
Hofmarschall: Punkt? zarter Punkt? Ich bin ganz Ohr.
Georg: Nach der getroffenen Einrichtung würde der ungeschickte Zufall allein das Zusammentreffen der einzelnen Paare vermitteln, und obgleich dies strenger Befehl Seiner Durchlaucht ist –
Hofmarschall: Ja wohl, sehr strenger Befehl.
Georg: So hat die Hoheit der Erde doch ein Recht, das Unpassende solcher Zufälle abzuwehren.
Hofmarschall (aufmerksam): Ich begreife vollkommen das Zarte dieser Andeutungen, aber überlassen Sie das nur mir, mein Freund.
Georg (bei Seite): Es ist sicher, sie wollen die Baronin mit dem Fürsten zusammenführen. – (Laut). Wenn Sie selbst dies vorgesehen haben, so habe ich unnötigen Diensteifer gezeigt.
Hofmarschall: Wie so, mein Herr? lassen Sie hören!
Georg: An dem zweiten Zelt steckt auf beiden Seiten, da wo die Damen hineinschlüpfen, und wo die Kavaliere anhalten, gerade über der Zelttür eine Rosenknospe.
Hofmarschall: Gut, mein Freund, sehr gut.
Georg: Die Baronin Geldern warf gestern hin, daß sie Blumen liebe, da kam ich so auf den Einfall.
Hofmarschall (bei Seite): Sollte die Geldern selbst uns so entgegenkommen? Es ist richtig, er ist von ihr beauftragt. – (Laut.)) Also die Baronin hat das angedeutet, das ist ja herrlich.
Georg (bei Seite): Es überrascht ihn, folglich sind sie Valentins noch nicht sicher. Ich danke dir, mein Gott!
Hofmarschall: Also die Baronin Geldern wird in dem zweiten Zelt sein?
Georg: Ich mutmaße es, und ich hoffe keinen Fehler zu machen, wenn ich gegen Sie plaudere, denn ich glaube, schließen zu dürfen, daß die Baronin Sie zum Valentin wünscht.
Hofmarschall: Wie? was? mich? (bei Seite.) Der arme Mensch ist dupirt#. – (Laut.) Ja, allerdings, ich hoffe den Vorzug zu haben. Das muß ich doch gleich Seiner Durchlaucht –
Georg (bei Seite): Er geht in die Falle. (Laut.) Noch einen Augenblick, Herr Hofmarschall! Ich sehe da noch eine Schwierigkeit.
Hofmarschall: Schwierigkeit? Wie so?
Georg: Wenn die Damen vor den Zelten angelangt sind, wird natürlich keine vor Ihrer Durchlaucht der Prinzeß Marie in ein Zelt treten. Wenn nun die Prinzeß zufällig in das Zelt mit der Rose –
Hofmarschall: Das wäre schrecklich, das wäre entsetzlich!
Georg: Es wird deshalb nötig sein, der erlauchten Dame eine bestimmte – nicht störende Richtung zu geben.
Hofmarschall: Sie haben eine bezaubernde Art, sich auszudrücken.
Georg: Das würden Sie tun müssen!
Hofmarschall: Wer? ich? ich die Frau Prinzeß dupir – dirigieren? Das ist unmöglich.
Georg (seufzend): In diesem Fall muß ich es tun.
Hofmarschall: Aber wie wollen Sie –
Georg: Zuerst beantworten Sie mir eine Frage. Erwartet vielleicht die Prinzeß, zufällig von Seiner Durchlaucht gefunden zu werden?
Hofmarschall: Das ist ja eben das Unglück – (einlenkend) – Wenigstens die Etikette –
Georg (bei Seite): Jetzt übersehe ich die Mysterien dieses Hofes, die Prinzeß liebt den Fürsten. (Laut.). Aber das ist ja leicht zu machen; das Zelt mit der Rosenknopse ist für Sie und die Baronin; man dürfte also die Prinzeß und den Fürsten in das erste Zelt dirigieren, so wäre Allem abgeholfen. Davon will ich die Prinzeß benachrichtigen, Sie tun dasselbe mit Seiner Durchlaucht.
Hofmarschall: Vortrefflich! (Bei Seite.) Er soll die Prinzessin in das erste Zelt schicken, der Fürst geht zur Geldern in das zweite, Graf Wöning nimmt die Prinzessin und auf den Plebejer wird nachher die Schuld geschoben.
Georg: Dazu ist aber nötig, daß ich der Frau Prinzessin noch vor dem Feste vorgestellt werde. Ließe sich das einrichten?
Hofmarschall: Ich sehe, es ist nötig. Gut, die Prinzeß macht jetzt ihren Morgenspaziergang, es ist Befehl, ihr dabei nicht in den Weg zu kommen. Heut aber will ich es wagen und die Frau Prinzeß in Ihre Nähe zu führen suchen. Sie werden ihr alsdann wie zufällig vorgestellt.
Georg: Ah, da wagen Sie doch zu dirigieren, Herr Marschall. Könnte das Zusammentreffen vielleicht hier geschehen, der Platz ist wenig besucht –
Hofmarschall: Gut, ich werde sie herführen. Auf Wiedersehen! (Bei Seite.) Er soll die Kastanien aus dem Feuer holen. (Ab.)
Georg: Ja, mein Herr Marschall, ich sehe ihre Katzentritte. Der Fürst will mit Valentinen zusammentreffen, und die Prinzessin hofft auf den Fürsten. – Der Fürst wird vor dem Zelt mit der Rose anhalten, um die Baronin zu finden, ich werde ihm aber die Prinzeß hineinschicken. Und Valentine soll keiner von allen finden. – Jetzt, König Oberon#, sende mir den schnellfüßigsten deiner Elfen.

Benjamin.

Benjamin
(in anständiger Tracht, Leibrock, den Hut in der Hand, mit dem Ärmel bürstend.): Dieser Hut ist wirklich von Hasenfell und ganz neu. – Ah, Euer Gnaden, da bin ich, es ist mir noch Alles so neu und kurios, und der gnädige Herr gehen mir sehr im Kopfe herum (zieht eine Bürste aus der Tasche und bürstet Georgs Rock.) Erlauben Eure Gnaden, nur einige Baumblüten, es ist gegenwärtig Mai, da ist die liebe Natur sehr beweglich, (vorwurfsvoll) und das Tuch hängt schon wieder aus der Tasche, erlauben Eure Gnaden, daß ich es einstecke, (ernsthaft) es ist hier zu Lande ein sehr verstohlenes Volk.
Georg: Du mühst dich, unseren Vertrag zu erfüllen, Benjamin, das freut mich. Ich bedarf deiner jetzt mehr, als ich gestern glaubte. Höre, es gilt, ein gutes Werk zu tun, aber auf eine Weise, die ich selbst nicht gerade und ehrlich nenne. Dabei sollst du mir helfen, mein Freund, auf deinen Teil soll aber keine Unwahrheit kommen.
Benjamin: Wenn die Lüge auch im Kontrakt# verboten ist, so ist mir's lieb, daß Eure Gnaden die allein übernehmen.
Georg: Ich hoffe Vergebung zu finden. Kennst du hier in der Nähe einen Platz, wo man vor fremden Augen sicher ist?
Benjamin: Dort, an der Ecke des Parks, dreihundert Schritte von hier, ist eine künstliche Höhle mit einem kleinen Wassergott, welcher aber nicht mehr Wasser speit. Die Grotte wird wenig besucht und schützt vor Regen und Beobachtung; ich gestehe Euer Gnaden, daß ich selbst mich manchmal auf einige Tage aus dem Geräusch der Welt dorthin zurückgezogen habe.
Georg: Gut. Du eilst zu der Grotte und säuberst sie von fremden Augen, wenn welche in der Nähe sind.
Benjamin: Kleinigkeit, gnädiger Herr, ich werde sie im Namen des Hofes mit Beschlag belegen.
Georg: Schnell fort! man kommt! (Benjamin ab.)

Prinzeß Marie. Hofmarschall. Hofdame.

Georg
(verbeugt sich).
Hofmarschall:
Herr Saalfeld, der geistreiche Dekorateur des Festes.
Georg (bei Seite): Ich glaube, ich kenne den kleinen Fuß.
Marie (mit leichter Verbeugung): Seien Sie willkommen in den Tagen unseres Aranjuez#. Sie sind mir freundlich empfohlen.
Georg: Eurer Durchlaucht Huld zu verdienen, soll mein eifriger Wunsch sein.
Marie: Soeben erhalte ich das Festprogramm (hineinsehend). Es ist Ihre Fassung, nicht wahr? – Wie hübsch ausgedacht! es muß Freude machen, Andern so viele Gelegenheit zur Fröhlichkeit zu geben.
Georg (bei Seite zum Hofmarschall): Soll ich die bewußte Andeutung in Ihrer Gegenwart machen?
Hofmarschall: Gott behüte!
Georg: So beschäftigen Sie das Fräulein. (Hofmarschall nach dem Hintergrunde und mit dem Hoffräulein ab.) Ach, Durchlaucht, dem heitern Himmel dieses Tages ist eine graue Wolke aufgestiegen.
Marie (eifrig): Ist etwas vorgefallen?
Georg: Nichts Bedeutendes, eine Störung nur für Einzelne. Die Baronin Geldern – wollen Eure Durchlaucht die Gnade haben, meine Worte recht gleichgültig anzuhören, wir sind beobachtet.
Marie: Sprechen Sie.
Georg: Die Baronin Geldern wird bei dem heutigen Feste nicht erscheinen.
Marie: Valentine? nicht erscheinen?
Georg: Und bittet, daß Durchlaucht ihr Wegbleiben mit Überraschung vernehmen möchten.
Marie: Ich verstehe Sie nicht.
Georg: Es gibt einige Intriganten am Hofe, welche der Baronin Eurer Durchlaucht Huld beneiden und durch einen häßlichen Streich zu vernichten suchen. Gegen alle Konvenienzen und, wie ich vermute, gegen den Wunsch des Fürsten, beabsichtigen sie, die Baronin zu seiner Valentine zu machen.
Marie: Ha, meine Ahnung! Und das würde vier Wochen dauern.
Georg: Die Baronin erfuhr durch einen Zufall von dem Komplott und ist darüber sehr entrüstet; sie bittet deshalb, unter dem Vorwand plötzlicher Unpäßlichkeit ganz von dem Feste wegbleiben zu dürfen, um jede solche Intrige unmöglich zu machen.
Marie: Die gute Valentine. Ja, ja, sie soll zu Hause bleiben.
Georg: Und um lästigen Nachfragen zu entgehen, wünscht sie den heutigen Tag in ihrer Wohnung in der Residenz zu verleben. Aber das Abfahren ihrer Equipage# könnte Aufsehen erregen, und so wagt sie die zweite Bitte, von Eurer Durchlaucht Portechaise# für heut Gebrauch machen zu dürfen.
Marie: Sie soll die Portechaise haben, heut, so lange sie will.
Georg: Ich habe den Auftrag, zum Zeichen, daß Durchlaucht einwilligen, eine Zeile von hoher Hand zu überbringen. Der Marschall sieht hierher und die Zeit drängt, wollen Eure Durchlaucht die Gnade haben, dies Tuch fallen zu lassen?
Marie: Ich verstehe, ist's so recht?
Georg (das Tuch aufhebend und überreichend): Vortrefflich! Meine Brieftafel und ein Bleistift liegen darin. Die Baronin läßt um die Worte bitten: die Portechaise sei von Ihnen; wollen Durchlaucht noch hinzufügen, daß Eile Not tue?
Marie (schreibt und spricht): Ich sende die Portechaise. Steigen Sie schnell ein. Marie.
Georg (schnell das Buch nehmend): Ich danke.
Marie: Wir sind Ihnen Dank schuldig. Aber erklären Sie mir –
Georg (ehrerbietig): Verzeihung, Durchlaucht, ich möchte es nicht tun. Gestatten Sie mir, Ihnen zu dienen, aber erhalten Sie sich die arglose Fröhlichkeit Ihres reinen Gefühls. Was auch im Dunkeln gesponnen wird, es soll Ihren Frieden nicht stören.
Marie (herzlich): Ich vertraue Ihnen.
Georg: Und Eure Durchlaucht stellen die Portechaisenträger unter meinen Befehl?
Marie: Ich werde es sogleich tun.
Georg: Aber Niemand, auch Eure Durchlaucht nicht, darf etwas von dieser Mitteilung ahnen.
Marie: Seien Sie unbesorgt.
Georg: Noch läßt die Baronin melden: über der Tür des zweiten Zeltes steckt eine Rosenknospe, vor dem Zelt wird Eure Durchlaucht anhalten.
Marie: Das ist ja ein wahres Komplott.
Georg: Jetzt ist es vernichtet.
Marie: Leben Sie wohl, Herr Saalfeld, grüßen Sie meine Valentine! (Ab.)
Georg (ihr nachsehend): Ihre Seele ist ein reines, unbeschriebenes Blatt, was wird ihr Schicksal darauf schreiben?
Hofmarschall (schnell): Nun, Freund, wie steht es, haben Sie –
Georg: Alles in Ordnung, die Frau Prinzeß ist – dirigiert.
Hofmarschall: Seien Sie meines wärmsten Dankes versichert. (Ab.)
Georg: Schwerlich! (Die Schreibtafel zeigend.) Jetzt, Valentine, bist du gerettet! (Schnell ab.)

Zweite Szene.

Das Innere einer verzierten Rokoko-Grotte; eine Statue mit Muschelbecken, davor ein Steinsitz; links ein Eingang, hinten eine Öffnung in den künstlichen Felsen.

Harfner. Mädchen.

Harfner
(von dem Mädchen geführt, sehr alt und kränklich, spricht zitternd): Lene, was hast du gesammelt?
Mädchen: Acht Groschen, Vater.
Harfner: Schlechter Verdienst, böse Zeit, gib her! (Nimmt das Geld, steckt's in die Tasche – richtet sich auf, rüstiger Mann, starke Stimme.) Geh' an die Öffnung, Dirne, und sieh, ob der Zigeuner kommt.
Mädchen: Vater, der schlechte Mensch!
Harfner: Hinaus! sag' ich, soll ich dir Beine machen? –

Zigeuner.

Zigeuner:
Holla, schon hier, du falscher Maulwurf! Nun, wie steht's?
Harfner: Meine Tochter ist noch hier. Hast du gehört, Lene?
Mädchen: Was hast du vor, Vater? ich will's wissen.
Zigeuner: Laß die Amsel hier, sie verrät nichts. (Will sie umarmen.)
Harfner: Sie soll hinaus, sie soll bei keiner Arbeit helfen, die wir beide zusammen verrichten. Vor die Tür, Lene, und wache, damit uns Niemand überrascht. (Mädchen ab.)
Zigeuner: Wir sind allein, wie steht's?
Harfner: Nirgend etwas zu machen, vor jedem Flügel steht ein Soldat, gerade wie in der Stadt. Nur an dem kleinen Schlosse mit dem Balkon steht die Schildwacht.
Zigeuner: Nun?
Harfner: Eine Frau wohnt darin, dieselbe, die wir neulich angebettelt haben. Sie schläft in der zweiten Stube vom Garten aus, dahinter ihre Kammerkatzen, unten die Männer.
Benjamin (steckt den Kopf zur Öffnung herein): Richtig, sie sind's, ich erkannte das Mädel. Da wollen wir doch horchen.
Zigeuner: Und die Schildwach ist fort?
Harfner: Seit gestern Mittag. – Eine Leiter liegt beim Jägerhaus, nicht weit davon. Und wann soll's geschehen? – Horch, ein Geräusch.
Zigeuner: Die Amsel hält Wache, sei ruhig.
Harfner: Es war der Zugwind an der Tür.
Benjamin (noch von außen – laut): Heda, ist Jemand hier? (Tritt ein.)
Harfner (alt und zitternd, ihm entgegen): Gnädiger Herr, erbarmen Sie sich eines alten blinden Mannes.
Benjamin (den Hut abnehmend und ebenfalls flehende Verbeugungen machend): Fünf unerzogene Waisen – kein Brot im Haus. – Alle Teufel, kennt ihr denn eure Familie nicht mehr?
Harfner: Der Benjamin! – Haha, wie bist du verkleidet!
Benjamin: Nix verkleidet, Nachteule; ich bin plaziert; doch das geht euch nichts an. – Nun, ihr Gesindel, was habt ihr vor?
Harfner: Nichts, Bursche.
Benjamin: Nichts, Bursche? – Ich will's euch sagen, ihr wollt Masematten# machen, - du hast gekundschaftet, und der wird – (Pantomime des Greifens).
Zigeuner: An den Galgen mit dir! Du hast gehorcht.
Benjamin: Das wäre unnötig; wenn ihr die Köpfe zusammensteckt, so weiß man, was das zu bedeuten hat.
Harfner: Da du einmal dazu kommst, mag's gut sein; du wärst gerade der Rechte. Willst du Teil nehmen am Geschäft?
Benjamin: Es ist doch nichts mit dem Messer?
Harfner: Nein, vielleicht ein Knebel.
Benjamin: Und wann soll's sein?
Harfner: Frag' Andere aus, erst müssen wir wissen, ob du dabei bist.
Benjamin: Zum Kuckuk, nein, ich bin jetzt in anderer Arbeit. Ich stehe unter Kontrakt.
Harfner: Großes Geschäft.
Benjamin: Sehr großes. (Bei Seite.) Ich schäme mich, den Schuften zu sagen, daß es weiter nichts als gemeine Ehrlichkeit ist.
Harfner: Dann mache, daß du fortkommst.
Benjamin: So haben wir nicht gewettet. – Es kommen Herrschaften vom Hofe hierher und ihr werdet euch auf der Stelle fortpacken, sonst werdet ihr vor eurem Geschäft eingesteckt. – Und hört, von der Arbeit will ich aus alter Freundschaft nichts wissen; aber einen Taler werdet ihr mir jedenfalls bezahlen, es ist nur zur Strafe dafür, daß ihr das Loch dort offen gelassen habt. Morgen Mittag steckt der Taler hier unter der Steinbank.
Zigeuner: Willst du uns verraten, du Hund?
Benjamin: Das will ich nicht, aber den Taler unter der Bank, sonst –
Harfner: Sonst? Was sonst? –
Benjamin: Sonst stelle ich die Schildwach wieder dahin, wo sie seit gestern Mittag fehlt. Haha! Fort mit euch, marsch! (Harfner und Zigeuner ab.) Schlechte Kerle; ich begreife nicht, wie ich mich je mit ihnen habe gemein machen können. Es geschah wegen des Mädels, der kleinen Amsel; ich habe dem Alten nicht gesagt, daß ich ihr den Mund mit einem Kuß zugehalten habe, als sie schreien wollte. – Man könnte sie heiraten. Doch sie ist ehrlich, das arme Ding! – Wo aber wollen sie einbrechen? Wo die Schildwach seit gestern fehlt, - das will ich schon erfahren; und welche Nacht? – das soll mir die Amsel herauskriegen. – Horch! den Tritt kenne ich; das ist mein Herr.

Georg.

Georg:
Schnell, Benjamin, spring' an den Rand des Parkes, in wenigen Augenblicken wird eine Portechaise kommen; du sagst dem vordersten Führer, er solle nicht weit von der Grotte halten und die Dame bitten, auszusteigen. Der Mann wird dir gehorchen und die Dame hierher weisen. Du führst nachher die Träger in geziemende Entfernung und gibst Acht, wenn ein Fremder herankommt. Kannst du mir ein Zeichen geben?
Benjamin: Jedes, Eure Gnaden. Befehlen Eure Gnaden ganz über mich; ich kann pfeifen, krähen, bellen, krächzen, miauen, schnarren –
Georg: Gut, pfeife einmal, wenn die Sänfte kommt; zweimal, wenn ein Fremder naht.
Benjamin: Ich verschwinde, als Eurer Gnaden gehorsamster Benjamin.
Georg (allein): Ich muß dich retten, holdes Weib; villeicht verzeihst du mir einst, daß ich's für mich tue. Haltet fest, ihr wankenden Steine, bald wird in euch ein arges Ungewitter toben. (Es pfeift in der Entfernung.) Ha, mein Kobold ruft; schnell fort!

Valentine.

Valentine
(nach einer kleinen Pause – im Atlaskleid, Sammet-Überwurf, auf dem Haupt Bonnet von Sammet#): Niemand hier? – ist das ein Scherz der Prinzeß? die Szene ist wie aus einem Gnomen-Märchen.

Georg (tritt ein).

Valentine
(erstaunt): Herr Saalfeld!
Georg: Ja, gnädige Frau, dies soll ein Märchen werden, und ich bin der Erzähler.
Valentine (stolz): Haben Sie einen Auftrag zu dieser Rolle?
Georg: Ja, Sie sollen hören,, von wem. Darf ich mein Märchen erzählen? es ist sehr kurz.
Valentine: Ich höre. (Setzt sich.)
Georg: Dort im fernen Westen lag ein weißer Mann unter einem Ahorn. Neben ihm saß ein Indianer-Mädchen; sie war nicht schön in seinen Augen. Da fuhr eine tödliche Schlange züngelnd nach seiner Hand; schneller als der Blitz warf das Mädchen ihren Arm dazwischen, die Natter schlang sich um den Arm und stach. Das Weib lachte und sprach zu dem Manne: für Dich. Eine Stunde darauf war sie tot.
Valentine: Weiter.
Georg: Der Mann aber war ich, und im Traume erscheint mir noch oft der rote Arm mit der Schlange.
Valentine: Und wozu erzählen Sie mir diese ernste Geschichte?
Georg: Ich wünschte Ihnen die Überzeugung zu geben, daß, wenn ich meinen Arm plötzlich und ungerufen, ja wider Ihren Willen, über Ihr Leben ausstrecke, dies nicht aus Übermut oder niedrigen Beweggründen geschieht.
Valentine: Niedrige Gesinnung werde ich Ihnen nie zutrauen.
Georg: Gut, gnädige Frau, jetzt hören Sie mich: Sie dürfen die Valentine des Fürsten nicht werden.
Valentine (aufstehend): Ha!
Georg: Ich habe es bereits verhindert, denn ich habe die Herren des Hofes getäuscht; die Prinzeß Marie wird statt Ihrer eintreten.
Valentine: Das haben Sie gewagt?
Georg: Noch mehr; Prinzeß Marie glaubt, daß ich in Ihrem Auftrag gehandelt habe, und in Ihrem Auftrage habe ich die Portechaise der Prinzessin erbeten, weil Sie in ihr unerkannt in die Residenz reisen wollen.
Valentine: Unerhört!
Georg: Ich habe dies alles ohne Ihren Auftrag tun müssen, weil Sie mir heut früh nicht gestatten, Sie zu sprechen.
Valentine: Und mir das zu sagen, haben Sie mich in diese Umgebung gelockt! – Wir sind allein und ich bin Ihre Gefangene, mein Herr, ist es so?
Georg: Nein, die Tür ist nicht verschlossen, die Träger stehen dort am Rand des Waldes, ein Wink ruft sie herbei. Auch ist noch Zeit für Sie, beim Feste zu erscheinen; ein Wort von Ihnen wird alle meine kleinen Intrigen vereiteln. So sind Sie nicht meine Gefangene; es darf Sie nichts hier zurückhalten, als Ihr freier Wille.
Valentine: Dann will ich gehen. – (Nach einigen Schritten.) Ich suche vergebens nach einem Namen für Ihr Benehmen gegen mich. Diese abenteuerliche Umgebung demütigt mich, Ihr dreistes Eindringen in meine Verhältnisse empört mich. Und doch haben Sie mir soeben die feierliche Versicherung gegeben, daß Sie nicht beabsichtigen, mich zu verspotten. (Bitter, aber schmerzlich.) Was haben Sie an meinem armen Leben gefunden, das eine solche Demütigung notwendig machte?
Georg: Was ich in Ihrem Leben gefunden habe? Ein großes Herz, ein kleinliches Treiben. Sie sind eine Löwin, welche mit Mäusen spielt; das schmerzt mich und das möcht' ich verhindern. Wenn Sie heut die Valentine des Fürsten werden, so ist bei dem innigen Zusammenleben mit ihm, welches auf die heutige Wahl folgen muß, bei dem Zauber Ihrer Persönlichkeit und der Neigung des Fürsten für Sie mit Sicherheit anzunehmen, daß Sie beide nach diesen vier Wochen an einander gefesselt sein werden. Er und Sie selbst, beide fühlten das, er betrieb deshalb das Valentinsfest, Sie duldeten es.
Valentine (für sich, die Faust ballend): Dämon! – (Laut.) Und wenn ich Ihnen antworte: ich fühle für den Fürsten; welches Recht haben Sie, unzart die stillen Keime meines Gefühls zu vernichten?
Georg (eifrig): Sie lieben den Fürsten nicht. Sie können ihn nicht lieben. Wahre Liebe ist schüchtern und verbirgt sich vor der gaffenden Menge. Wenn Sie den Fürsten geliebt hätten, Sie hätten nie darein gewilligt, durch Trompetenschall der Residenz und dem Lande als seine Dame ausgerufen zu werden. Das war nicht Liebe, es war Ehrgeiz.
Valentine (bei Seite): Er ist furchtbar! – (Laut.) Wohlan, es war Ehrgeiz; Ich sehne mich zu herrschen, ich strebe nach Einfluß. Welcher Weg, seine Kraft geltend zu machen, bleibt dem Weibe, als die Liebe eines Mächtigen?
Georg: Ich habe gesehen, daß Frauen mäßig waren, weise und besser die Fäden der Regierung zu halten wußten, als ein Mann. Auch Ihr Blick ist frei, Ihr Geist ist stark. Sie würden auf den Fürsten einen Teil Ihrer großen Seele übertragen, und manches Gute könnte daraus kommen – aber dennoch würde dieser Verbindung das Volk fluchen, und das Volk hätte Recht; denn für dieses Land gibt es kein anderes Heil, als die Vermählung des Fürsten mit der Prinzeß Marie.
Valentine (eifrig): Das ist unwahr!
Georg: Es läßt sich beweisen. Das Fürstentum ist nicht groß, aber es bildet ein Ganzes, eine kleine glückliche Welt; die Besitzungen der Prinzeß Marie machen fast die Hälfte davon aus. Reicht die Prinzeß einem fremden Regenten die Hand, so fallen ihre Lande einem fremden Regentenstamme zu, und das Land wird zerrissen, seine Interessen geteilt; es würde vergehen, wie ein Vogel, dem man die Flügel abgehackt hat.
Valentine: So betrachtet man die Sache bei Hofe nicht.
Georg: Fragen Sie das Volk, sein Instinkt hat längst das Richtige erkannt. (Valentine steht starr.) Ihnen aber wage ich das zu sagen, nicht als ein fremder Abenteurer, auch nicht, weil ich ein Sohn dieser Täler bin und meine Heimat liebe, sondern weil ich Ihre Freundschaft erringen möchte, ja noch mehr. Sie kennen mich erst seit wenigen Stunden, ich aber verehre Sie seit langer Zeit, und was ich getan habe, tat ich im Bunde mit Ihrem eigenen innersten Gefühl; selbst jetzt, wo wir als Feinde einander gegenüberstehen, müssen Sie ahnen, daß ich als Ihr Freund gehandelt habe. – (Ferne Trompeten.) Hören Sie? – dort tönt die Fanfare – das Fest beginnt.
Valentine (macht eine kurze Bewegung der Tür zu).
Georg
(unbeweglich): Die Tür ist offen, Sie haben die Wahl.
Valentine (sich setzend): Ich bleibe.
Georg (lebhaft): Oh, ich wußte es, ich danke Ihnen!
Valentine (düster): Danken Sie mir nicht, denn ich fühle, von dieser Stunde hasse ich Sie.
Georg: Ich weiß es, denn ich habe Sie tief verwundet. (An ihrer Seite niederkniend.) Ich aber liebe Sie und von dieser Stunde gehört mein Leben Ihnen.
Valentine (stark): Hinweg! (Trompeten).
Georg (laut): Ich grüße dich, meine Valentine! (Er löst mit einem Dolch schnell ihre Schärpe und hebt sie in die Höhe) und so trage ich deine Farben (schnell ab).
Valentine (unbeweglich sitzend): Es ist ein Traum!


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